Marias Lobgesang „Magnificat“ in Jazzversion
Von Peter Fischer
Ganz neue Töne in der voll besetzten St. Kolumban-Kirche: das erlebten die Besucher eines mitreißenden Konzertes, das die Erwachsenengruppe QUINTESSENZ des Jugendchors St. Kolumban am Sonntagabend zum Besten gab. Chorleiterin Christa Strambach hatte die Idee, ein kirchenmusikalisches Konzert mit den drei Lobgesängen aus dem Lukasevangelium zu geben. Alle drei gehören als Bestandteil des Stundengebetes zur Liturgie der Kirche und wurden im Laufe von Jahrhunderten von zahlreichen Komponisten vertont. Christa Strambach wählte recht unterschiedliche Kompositionsstile.
Das „Benedictus“ ist der Lobgesang des Zacharias. Stumm geblieben bis zur nicht mehr erwarteten Geburt seines Sohnes Johannes des Täufers. Nun lobt er Gott und glaubt an die Verheißung des Messias: „Gepriesen sei der Herr“. Der greise Simeon sollte nicht sterben, ehe seine Augen den Messias gesehen haben. Mit der Darstellung des Jesuskindes im Tempel ist es soweit: „Nun lässt du, Herr, deinen Knecht in Frieden scheiden“, „Nunc dimittis“. Diese beiden Lobgesänge wurden von der Empore aus dargeboten. Das Benedictus im gregorianischen Stil, von den Tenören des Chores intonationsrein in feiner Linie gesungen. Von dem 2010 gestorbenen Komponisten Geoffrey Burgon stammt die als Filmmusik komponierte englisch gesungene Fassung von Simeons Lobgesang für Sopran, Trompete und Orgel. Der britische Komponist hat die Komposition als eine Art Zwiegesang von Sopran und Trompete angelegt. Vier Sopranistinnen und Benedikt Strambach gelang, selbst mit atonalen Phrasen, beruhigende, ja einschmeichelnde Musik. In dieser Art erschien der Vorspann des Konzertes dramaturgisch geschickt nicht so sehr als Musik mit Vorführeffekt, sondern eher als Hineinhören in liturgisches Singen.
Im Mittelpunkt des Abends stand das „Magnificat“, der Lobgesang Marias beim Besuch ihrer Verwandten Elisabeth, nachdem diese Maria und deren werdendes Kind gepriesen hat. „Meine Seele preist die Größe des Herrn“, so der Anfang des psalmenartigen Gesanges mit zehn Versen. Der Chor wagte sich an eine moderne, vierzigminütige Version von Christoph Schönherr, Professor an der Musikhochschule Hamburg. Der Komponist hat sich sehr tiefgründig mit dem Text des „Magnificat“ auseinandergesetzt. Da geht es nicht nur um die Freude und den Jubel Marias, sondern auch um Marias Gottesbild von einem Gott, der die Hochmütigen zerstreut, die Mächtigen vom Thron stürzt und sich einsetzt für die Armen und Bedürftigen. Um die Aktualität des Stoffes zu verdeutlichen, mischen sich lateinische und englische Texte. Entsprechend sind die Stilmittel gewählt: für den Jubel der Swing, für das Dramatische Rock und Funk. Dabei ist die Komposition dermaßen vielfältig, dass man bei den zehn Teilen eine ganze Palette von Stilrichtungen erlebt: außer den genannten auch Jazz, Soul, Pop, südamerikanischen Rhythmus. Der Chor zeigte sich hervorragend eingestellt auf groovige, schwungvolle, rhythmische, einfühlsame und dramatische Musik, mit dynamischen Steigerungen, mit Sprechtechnik, jederzeit auf den Punkt exakt, intonationssicher und sprachlich ausdrucksvoll. Wenn „die Mächtigen vom Thron gestürzt werden“, erzitterte fast die Kirche von den mächtigen und lauten Klängen. Bei der „Erhöhung der Niedrigen“ schien der Chor mit sanften und melodiösen Tönen in den Himmel zu entschweben.
Standing Ovations für die Solistin Franziska Gangl und das fulminante Konzert in St. Kolumban
Als Solistin in der Rolle Marias hatte Franziska Gangl, Sängerin aus den Chorreihen, ihren großen Auftritt. Diese Musik schien ihr auf den Leib geschrieben. Die anspruchsvolle Partie
gestaltete sie mit ihrem wohlklingenden Sopran sicher und eindrucksvoll. Bei ihrem großen Solo „And how he has helped“ ohne Dirigat sang sie swingend lieblich und innig, einfach wunderbar. Eine exzellente Leistung.
Gelingen konnte das alles nur mit einer professionellen Besetzung der Instrumente. Hochkarätige Musiker fanden sich zu einem Orchester mit Bandcharakter zusammen und spielten ihre Begleitung, Jazz-Standards, Einschübe, Soli, eingebettet in den Rhythmus der Percussiongruppe, in vollem Einklang mit dem Chor. Als der Schlussvers „Gloria Patri“ im schwungvollen Samba-Rhythmus ertönte, der Chor sich auch körperlich bewegte, beim „Amen“ die Noten niederlegte, eine unglaubliche Steigerung wie bei einer Stretta den Kirchenraum erfüllte , das Publikum spontan mitklatschte, schien es, als wäre die ganze Kirche nach Südamerika versetzt.
Spontane Bravorufe für das Orchester, die Solistin, den Chor und die Dirigentin waren Zeichen einer begeisterten Aufnahme des Konzertes. Die Chorleiterin Christa Strambach hat mit der Einstudierung dieses „Magnificats“ dem Jugendchor eine neue Dimension geschaffen. Mit all ihrer Kraft, buchstäblich bis in die Fingerspitzen hinein führend, dirigierte sie Musik und Gesang feinfühlig, souverän und schwungvoll. Nicht nur wegen der Lautstärke: ein außergewöhnliches Konzert.