Konzil von unten
Eine lebendige Gemeinde mit engagierten Menschen, das ist mein Wunschbild von Kirche. Ich habe das am Wochenende bei den Aufführungen des Musicals „Die Spur der Taube“ erlebt. Ein bewegendes Zeugnis von gemeinsamem Engagement vieler Kinder, Jugendlicher und Erwachsener, viel Kreativität vor und hinter den Kulissen. Für mich ist das ein Hoffnungszeichen in schwieriger Zeit.
Die Institution Kirche hat viel an Glaubwürdigkeit verloren, erschreckend viele Menschen kehren ihr den Rücken, viele trauen ihr keinen Reformwillen zu. Im November 2019 ist als Reaktion darauf in unserer Diözese die Initiative „Konzil von unten“ gestartet. Das Ziel war, reformwillige Menschen aus Kirchengemeinden, Verbänden und Organisationen zu vernetzen und Reformforderungen zu formulieren. Sieben Forderungen wurden schließlich erstellt. Auch in unserem Kirchengemeinderat haben wir uns damit auseinandergesetzt und beschlossen, die Reformanliegen zu unterstützen und Delegierte zum Konzilstag zu senden. Nach zweimaliger coronabedingter Verschiebung fand dieser am Samstag, 24. September in der Festhalle in Rottenburg statt, rund 350 Menschen waren der Einladung gefolgt.
Den zentralen Vortrag hielt die Dogmatikerin Frau Prof. Johanna Rahner aus Tübingen zum Thema „Brauchen wir eine neue Kirche? Die Notwendigkeit von Reformen und Chancen eines neues Weltkonzils“.
Die Kirche, so Rahner, wird ihre Identität nur finden im Gespräch mit der Welt. Ein zentraler Zukunftsmarker wird die Frauenfrage sein. Die katholische Kirche wird sich pluralisieren und muss lernen, mit Einheit und Vielfalt umzugehen in einem „wohlwollenden Streit“. Oft wird Kirchenkritikern vorgeworfen, dass sie nur über Strukturen reden, und sich nicht um geistliche Erneuerung bemühen. Dabei sind Strukturdebatten nicht hinderlich, um Glaubenskrise und Kirchenkrise zu überwinden, sondern notwendig, weil kirchliche Strukturen oft „das Angesicht Gottes verdunkeln“ so Rahner. Sie sieht die Gefahr für Reformen in einer Diskursverweigerung derjenigen, die sich als „Bewahrer des Glaubens“ sehen. Die Ermutigung an die Zuhörer, strategische Allianzen zu schmieden, sich zu vernetzen und nicht mehr „brav zu sein“ stieß auf viel positive Resonanz.
Engagierte aus haupt- und ehrenamtlichen Tätigkeitsfelder berichteten nach der Mittagspause in einem Podiumsgespräch, was „der Reformstau in der Kirche“ für sie und ihre Arbeit bedeutet.
Schließlich kam der zentrale Punkt, die Abstimmung über die sieben Reformforderungen.
Mit überwältigender Mehrheit wurden die Konzilsforderungen angenommen. Sie werden nun als Rottenburger Manifest veröffentlicht, nächste Woche auch an dieser Stelle nachzulesen oder jetzt schon unter www.konzil-von-unten.de
(Irmgard Straub)